Homeschooling - warum?

Homeschooling - oder Hausunterricht - ist in Deutschland recht unbekannt und wird deshalb meist suspekt behandelt. Tatsächlich ist Deutschland für etliche der zu Hause unterrichteten Personen bekannt, wie z.B. Johann Wolfgang von Goethe und etliche Nobelpreisträger. Die guten Namen brechen mit dem Verbot des Hausunterrichts im Jahre 1933 deutlich ab, und seitdem scheint es keine der Landesregierungen zu reizen, sich von dieser damals klaren Motivation der Manipulation der Jugend zu distanzieren, indem die jahrhundertelange erfolgreiche Tradition wieder erlaubt wird. Stattdessen wurden Jahr für Jahr in 11 bzw. 16 Bundesländern die Bildungsrichtlinien getrennt voneinander hin und her verändert. Auch wenn dies jeweils vermutlich ausgebildete Pädagogen waren, sind sich doch die meisten Eltern einig, dass das, was sie selbst an Bildung erhalten haben und wie es sich nun für ihre Kinder heutzutage darstellt, nicht gerade großartig war und vor allem sichtbar ein Abwärtstrend in der Bildungsqualität darstellt. 

Kaum ein Land in der Welt geht aber derart restiktiv gegen Hausunterricht vor wie Deutschland, obwohl es noch nicht einmal gesetzlich verboten ist - es ist lediglich das Verhalten von Schulbehörden und Richtern. Einer der wenigen Fälle gegen deutsche Eltern, die Hausunterricht geben wollten, war derart unverhältnismässig, dass ein US-Bundesstaat der deutschen Familie Asyl gewährt hat.

 

Wie viel anders stellen sich die Berichte aus Staaten dar, in denen Homeschooling erlaubt ist und gefördert wird, wie z. B. USA, Kanada oder Finnland. Jahr für Jahr werden Statistiken veröffentlicht, wie sich die Homeschooler (HS) gegenüber den klassischen Schülern positionieren: Sie haben Jahr für Jahr die besten Noten in den Zugangsprüfungen der Universitäten und Arbeitgeber lecken sich die Hände nach Homeschoolern, sei es als Fachkräfte oder als Auszubildende. Denn es geht nicht nur um die Wissensmenge, die in einer begrenzten Zeit in die jungen Menschen hineingestopft werden konnte, sondern auch um die Art, wie sie erzogen wurden: wie ist ihr Charakter, ihre Einstellung zur Arbeit, wie eigenständig können sie sich fehlende Informationen beschaffen, wie umsichtig können sie agieren etc. Und die HS erreichen ihren Vorsprung in der Regel durch deutlich weniger reine Schulzeit. 

 

Allein diese Aspekte bewegten Yvette, ausgebildete niederländische Grundschullehrerin für Kinder von 4 bis 12 Jahren, zu recherchieren, in wie weit ein Hausunterricht in Deutschland möglich wäre. Meine ältesten zwei Kinder machten noch das Abitur in der Schule zu Ende, aber als David schulpflichtig wurde, wurde es für uns konkret. Um eine lange Story kurz zu machen: Hausunterricht in Deutschland ist praktisch verboten und unmöglich, wenn man es nicht durch Kniffe "unterhalb des Radars" durchführt. Selbst ein auf diesem Gebiet tätiger Rechtsanwalt winkte frustriert ab, als wir ihn baten, uns auf dem Weg zu einer Erlaubnis zu unterstützen. Wir haben letztlich aus Anlaß dieser Problematik gewählt, aus Deutschland zu emigrieren und ein Land zu finden, in dem unser "Wunsch-Schulprogramm" möglich wäre. Das war in unserem Fall Frankreich.

 

Aber warum legen wir soviel Wert auf den Hausunterricht und sind bereit, solch einen Preis wie Kündigung einer Arbeit, Hausverkauf und Umzug in ein Land, dessen Sprache wir praktisch nicht sprechen, zu bezahlen. In diesem Blog will ich kurz die wichtigsten Argumente zusammenstellen.

 

1. Kinder sind von Gott ausgedachte Persönlichkeiten, die ein Potenzial in sich tragen, um eine Rolle in der Gesellschaft / für andere zu spielen. Uns als Eltern sind sie anvertraut, um dieses Potenzial herauszukitzeln, unabhängig von unserer Rolle, unserem Charakter, unseren Vorlieben oder unserem Beruf. Uns beiden als Eltern liegt es am Herzen, unsere Kinder gerade für die Dinge zu sensibilisieren, die Ewigkeitswert haben, denn diesbezüglich werden sie auch einmal vor Jesus stehen und gefragt werden. Unser Schulsystem zeigt aber eher, dass genau dies bewußt und immer aggressiver ausgeblendet wird. Eltern sollen beide berufstätig sein können (Steuerzahler), auf Linie gebrachte Profis übernehmen die Erziehung zu einem Leben, das Gott ausblendet, und vorbereiten soll, dass man möglichst wieder zu einem guten Steuerzahler wird. Denn Lebensthemen wie "wie gestalte ich eine gesunde Partnerschaft?", "wie entwickle ich Charakter?", "wie gehe ich richtig mit Geld um?" oder "was ist ein erfolgreiches Leben?" werden nicht oder nur oberflächlich behandelt, oder wenn es zu klaren Botschaften kommen könnte, werden sie den Lehrern verboten.

 

2. Der Erziehungsauftrag für Kinder geht klar an die Eltern, sowohl von staatlicher Seite als auch seitens Gott. Bildung ist ein Teil der Erziehung, insbesondere wenn es an das "Tüchtigmachen fürs Leben" geht.

 

3. Kinder lernen am schnellsten und besten von denen, die sie lieben - das sind meistens die Eltern.

 

4. Kinder schauen natürlicherweise von den älteren Geschwistern oder den Eltern ab - in der Schulklasse sind 30 Gleichaltrige zusammengestellt.

 

5.  Im Homeschooling kann auf die individuelle Entwicklung des Kindes mit unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten pro Schulfach eingegangen werden, in der Schule wurde etwas für den Durchschnitt konzipiert - die Besseren und Schlechteren haben Nachteile.

 

6. Ein Gegenargument ist meist die angeblich fehlende Sozialisation der Kinder zu Hause. Nach unserem Empfinden ist es genau umgekehrt: mit mehreren Kindern zu Hause haben wir natürliche Sozialisation, aber in einem geschützten, liebevollen Raum. In der Schule ist Sozialisation nicht gelenkt, und das Thema Mobbing kommt öfter und öfter vor. Lehrer sind angesichts ihrer Zeit und des Lehrer / Schüler-Verhältnisses gar nicht in der Lage, schützend oder lenkend einzugreifen. Schüler bleiben traumatisiert zurück - im Berufsleben wird in gleicher Situation eine psychologische Therapie von der Krankenkasse bezahlt ...

 

7. Wir hörten eine gute Antwort einer Mutter vieler Kinder auf die Frage, ob es denn nicht vorteilhaft sein, Kinder die Herausforderungen des Lebens auszusetzen und sie darin lernen zu lassen: Eine junge Pflanze stelle ich nicht in den Sturm und die Kälte. Ich lasse sie geschützt aufwachsen und stark werden, dann kann sie in den Sturm.

 

8. Zu Hause können die Eltern auch auf Inhalte Wert legen, die in der Schule nicht vorkommen (siehe in Punkt 1). Sie können Standpunkte beziehen, wo die Schule in ihren Aussagen offen bleiben will / muß und jungen, orientierungssuchenden Menschen nur Optionen vorstellt.

 

9. Jedes Elternteil kann bewußt Teile der Hausarbeit (Kochen, Backen, Reparieren, Renovieren, Gartenanbau ...) zum Teil des Schulprogramms machen und auch so auf die Erwachsenenzeit vorbereiten. Durch ein reiches (Kurz-)Angebot an verschiedensten Tätigkeiten oder Fertigkeiten können Talente oder Leidenschaften der Kinder entdeckt werden. Dies kann natürlich auch für klassische Schüler gelten, aber hier sehen sich die Eltern meistens durch das Abdeligieren des Schulens an die Lehrer nicht mehr so stark in der Verantwortung und haben sich im Familienrythmus so eingerichtet, dass auch kaum Zeit dafür wäre.

 

10. Wir haben etliche befreundete Ehepaare, die wir aus gemeinsamen Gemeindezeiten kennen und die ebenso wie wir ein brennendes Herz für Gott haben. Zu viele dieser Eltern haben zu viele Kinder, die diesem Weg nicht folgen. Wir interpretieren die Situation so, dass die Kinder in einem Umfeld "für das Leben lernen", das Gott ausblendet, ignoriert oder verspottet. Das Verhältnis von Zeit in diesem Umfeld zu den Zeiten, in denen von oder über Gott gesprochen wird, ist zu ungünstig. Kinder erleben den Kindergottesdienst am Sonntag als "ungewöhnlich", "komisch", "aufgesetzt" oder "unnatürlich". Ohne eigene Erfahrung mit Gott und der bewußten Entscheidung, den normalen Schulalltag eben nicht als Norm anzuerkennen, werden sie es nicht überwinden und gehen weiter ihren un-Gött-lichen Erziehungsweg. 

 

 

Mit diesen Argumenten können wir sicher verständlich machen, dass es durchaus nachvollziehbare Gründe für Homeschooling gibt. Und wir sind an dieser Stelle ja keine Pioniere, in anderen Ländern belegen Statistiken die Gültigkeit dieser Ansichten. Wir sind auch nicht der Meinung, dass alle Eltern homeschoolen müssen, aber diejenigen, die es wollen und bereit sind, sich selbst zeitlich und finanziell einzusetzen, die sollten es dürfen. Viele Eltern trauen sich das nicht zu, sei es aus Unwissenheit über mögliche Methoden, sei es aus persönlicher Unmöglichkeit. Das sei ihnen natürlich ebenso zugestanden.

 

 

 

 

 

 

1 Kommentare